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ALLES BEGANN MIT "QWERTYUIOP" - VON UNSERER HASSLIEBE ZU CORPORATE E-MAIL 

Vor rund 44 Jahren drückte Raymond Tomlinson das erste mal auf den "Send"- Button. Die Message war: "QWERTYUIOP". Heute gibt es über 4 Milliarden Email Accounts, 23% davon sind geschäftliche Mailkonten. Schätzungsweise werden wir in 2015 rund 200 Milliarden Mails versenden. Täglich. Die Radicati Group rechnet mit einem geschätzten Wachstum von 3-5%. Email ist das meist verbreitete Werkzeug für Zusammenarbeit weltweit. 


München, Februar 2015. E-Mail bestimmt unsere Business Kommunikation seit über 40 Jahren. Wir lieben Email - weil sie so einfach ist und wir alle erreichen. Wir hassen Email - weil wir nicht ohne sie auskommen, sie langsam ist und so anti-social. Die Alternative Enterprise Social Network war mit großen Hoffnungen gestartet, konnte sie aber nur teilweise erfüllen. Wie geht es also weiter mit der Corporate Email? Vielleicht könnten wir uns an der Zukunft des Autos orientieren. 

Email ist die Kommunikationsschicht des Internets. Email ist ein Protokoll - aber auch ein Netzwerk. Wahrscheinlich das größte menschliche Netzwerk überhaupt. Mit einer Emailadresse habe ich eine direkte Verbindung zu quasi jedem anderen Menschen. Ich muss es nur durch den Spam Filter und eine etwaige Assistenzfunktion schaffen, dann habe ich eine 3 Sekunden Spanne Aufmerksamkeit für meine Botschaft.

Wie beim Internet selbst ist Interoperabilität eine der konstituierenden Eigenschaften von Email:  Zwei Personen können unterschiedliche Systeme nutzen und trotzdem emails austauschen. Egal ob Exchange oder Domino, Gmail oder Yahoo: wir können untereinander mails versenden, empfangen, lesen und antworten. Daher ist und bleibt email bei weitem das beste und zuverlässigste Kommunikationsmedium überhaupt. Ja, mehr noch, "Mails checken" ist zur täglichen Routine geworden. Im Schnitt verbringen wir 2,5 Stunden unseres Arbeitstages damit. Studien sagen, wir würden an einem Arbeitstag unsere Mails im Schnitt 74 mal checken. Die Entwicklung hin zu Smartphones dürfte diesen Wert in den letzten Jahren deutlich nach oben getrieben haben. Risikoanalysen in Unternehmen ergeben zumeist, dass es das Corporate Email System ist, dessen Ausfall den größten Schaden für's Unternehmen ausmachen wird und nicht die prozessunterstützenden IT Systeme: Nimm den Leuten SAP - das bringt die Unternehmen nicht um. Nimm ihnen "Outlook":  unvorstellbar. 
 

Unsere "incoming emails" könnten wir manchmal zum Mond schiessen


Es ist eine Hassliebe, die uns mit unserer Inbox verbindet: Email ist wie Tetris spielen: Unser Ziel ist immer, die inbox auf 0 neue Mails zu bringen. Wenn wir es vermeintlich erreicht haben, signalisiert ein Aufmerksamkeitsemblem (wer erinnnert sich noch an "You've got mail"?) schon wieder den Eingang neuer Botschaften. Im Unternehmenseinsatz kommen noch weitere Hürden hinzu: Vor dem Absenden einer Mail checken wir nochmals peinlichst: 

  • Habe ich auch alle beteiligt?
  • Ist der Berichtsweg eingehalten und
  • Fühlen sich alle informiert?

Die Konsequenz sind unendliche Wasserfälle von Messages und Nachrichtenverquickungen, die kaum Auflösung und Verfolgbarkeit bieten. Mangels brauchbarer Alternativen haben wir uns mehr oder weniger damit arrangiert und jonglieren uns tagtäglich durch unser Postfach. Dabei nutzen wir es heute nicht mehr ausschließlich zur Kommunikation mit anderen Personen. Oftmals ist es unser Dokumenten- und Projektmanagement System, es ist unser persönliches CRM und unser Adressbuch. Ein Viertel unserer täglichen Arbeitszeit verbringen wir mit Email (oftmals während als unnütz empfundenen Meetings - die gefühlt die übrigen Dreiviertel eines Tages einnehmen). 

Daher nahm in den letzten Jahren auch unser Stöhnen über den Information Overload durch Email kontinuierlich zu und wurde befeuert durch die konzeptionellen Ideen des Web 2.0 und Enterprise 2.0 Ansatzes. Weg mit der altmodischen Email, hin zu Enterprise Social Networks. Programmatisch hierfür der "Schlachtruf des Atos CEO Thierry Breton aus dem Jahr 2011, der für sein Unternehmen das Ziel der "Zero Email" bis Ende 2013 ausrief. 

Enterprise Social Networks - Auf dem Weg ins E-Mail-lose Zeitalter?

So entstand in den letzten Jahren ein eigenständiger Markt für "Enterprise Social Networks" mit einem Marktvolumen von gut 1,3 Mrd. Dollar in 2013 und einer durchschnittlichen Wachstumsrate von über 23% bis 2018. (Quelle IDG, Market Analysis. Worldwide Enterprise Social Networks 2014–2018 Forecast and 2013 Vendor Shares):

World Wide Enterprise Social Networks Revenue Share by Vendor, 2013

Haben wir für die letzten Jahre eine Konsolidierung des Marktes hin zu integrierten Plattformen erwartet, zeichnet sich heute ein anderes Bild. Auf der einen Seite haben wir es mit den arrivierten Anbietern funktional breit aufgestellter Enterprise Social Network Plattformen zu tun (IBM, Microsoft, Jive und SAP, um nur einige zu nennen). Auf der anderen Seite entstanden eine ganze Reihe von Team Collaborations Plattformen, zum Teil mit irrwitzigen Wachstumsraten wie zum Beispiel bei Slack, Glip, Unify Circuit oder Cisco Project Squared. 

Sie alle sind mit dem Ziel angetreten, die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens von Grund auf neu zu gestalten. Statt vereinzelt in der Email Inbox, gestalten diese Plattformen die Zusammenarbeit auf Basis kollaborativer Prinzipien. Kernprinzip dabei ist: "Teilen ist das neue Haben". Communities, Wikis, Social Tagging, gemeinsames Editieren von Dokumenten und Blogs sind die neuen Bezugspunkte für die Wissensarbeiter. 

Mit großer Euphorie eingeführt, bringen die Plattformen nur teilweise die erwünschten Ergebnisse. Was für kleinere Teams mit klarem Projektauftrag gut funktioniert, ist im unternehmensweiten Einsatz nicht unbedingt erfolgreich. Eine technologiegetriebene Implementierung führt eher zur Wahrnehmung a la "noch ein System, das uns von der Arbeit abhält" denn zu den erhofften Produktivitätsgewinnen. 
 

Das Fazit, das die meisten Experten auf dem diesjährigen Enterprise 2.0 Summit, der europäischen Leitkonferenz in Paris zogen, fällt daher recht eindeutig aus: Ein Enterprise Social Network allein bringt nichts. Unternehmenskultur und das aktive Managen der Communities sind die entscheidenden Faktoren für den Erfolg. 
 

Routinen sind beharrlich


So bleibt die Inbox auch 2015 die erste Anlaufstelle für Kommunikation und Kollaboration. Im Gegensatz zu den letzten Jahren wird sie jedoch nicht mehr als commodity gesehen und wenig beachtet, sondern gerät wieder in den Fokus der Technologie Provider.  So enstanden in jüngster Zeit komplett neue Konzepte und neue Frontends für EmailGoogle Inbox und IBM Verse sind dabei die prominentesten Vertreter dieser neuesten Generation. Microsoft geht mit Office Graph und Delve in dieselbe Richtung. 

Die Idee dabei ist, das ja wirklich längst in die Jahre gekommene Frontend der klassischen Email Clients radikal zu verändern. Es geht darum Mail intelligenter, einfacher, sozialer und schöner zu machen. Bei der IBM zum Beispiel hat man dafür mit Methoden des Design Thinking das Frontend komplett verändert. Analytics und Maschinenintelligenz hilft dem Email Nutzer, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und mehr Kontextinformation zur Verfügung zu stellen. Denn schließlich ist es nicht die Message allein auf die es ankommt, sondern der Sender, das dazugehörige Projekt, das Arbeitsumfeld, in dem die Email eingebettet ist und was dazu auf den unterschiedlichen anderen Kanälen kommuniziert und diskutiert wird.

Kurz gesagt geht es also nicht mehr darum, über welchen Kanal eine Information zum Empfänger kommt, sondern wie einfach und schnell dieser die Information finden und verwenden kann. "Social" wird dabei Bestandteil vom "me" zum "we" - wie es Jeff Schick von IBM auf der diesjährigen IBM ConnectED in Orlando erläuterte. 
 

Vielfalt zulassen ist also das Motto: Nicht einen Zugang vorschreiben, sondern individuelle Arbeitsstile intelligent kombinieren. 


Und was hat das nun mit der Zukunft der Autos zu tun?


Nun: auch Autos sind wunderbar. Sie bringen uns von A nach B, ohne dass wir ein Ticket buchen müssen oder auf Abfahrtszeiten warten. Wir können Freunde mitnehmen oder Gepäck und kurzfristig die Ziele ändern. Aber Autos können auch ziemlich nerven: Die Suche nach Parkplatz, Staus  - Unfälle. Wir dürfen nicht fahren, wenn wir müde sind oder ein Bier getrunken haben. Und aufwändig ist es allemal, ein Auto zu besitzen. 

Autos werden sich radikal verändern. Das autonome Google-Ei schaut zwar noch gewöhnungsbedürftig aus, es weist jedoch in die Zukunft des Autos: Autonomes Fahren wird dazu führen, dass der Verkehr flüssiger läuft und selbst wenn es doch mal zäher geht: wir sind dann in der Lage, die Zeit effektiv zu nutzen, Video Meetings und Arbeiten mit dem Computer werden selbstverständlich sein - ja, vermutlich wird zumindest das Firmenauto in Zukunft ein Teil des Digital Workplaces werden. Und weil kein Lenkrad und festes Cockpit mehr nötig sind, wird sich auch das Design der Fahrzeuge radikal ändern können. Und bei alledem nutzen wir weiter die bestehende Verkehrsinfrastruktur.

Wenn dann noch Konzepte wie Daimlers "moovel" hinzukommen, bei dem wir mittels Intelligenz und Infrastruktur die beste Variante verschiedener Mobilitätsarten (Auto, Car sharing, öffentliche Verkehrsmittel) vorgeschlagen bekommen, um von A nach B zu kommen, wird deutlich, welche Zukunft wir auch für Corporate Email sehen. Der Kommunikationskanal (bzw. das SMTP Protokoll) wird unwichtig, die Anwendererfahrung und die Vielfalt der Möglichkeiten zählen. 

Handlungsempfehlungen

Wir brauchen nicht mehr Tools, sondern Tools, die mehr leisten:

  • E-Mail wird weiterhin eine kritische Unternehmensapplikation bleiben. Sie wird aber ein neues Interface für asynchrone Kommunikation erhalten. 
  • Man sollte die Kommunikation im Unternehmen umfassend bedenken: Außer der E-Mail gibt es noch Chat, Telefonie, Video-Telefonie und -Konferenzen, Enterprise Social Network mit seinen Profilen, Diskussionsforen, Blogs und Wikis, dokumentenbasierte Kollaboration für Teams und Projekte wie z.B. mit Sharepoint, usw.
  • Nicht jeder Mitarbeiter braucht alles, aber einige Key-Player brauchen alles.
  • Alles sollte zusammen und einfach funktionieren, nicht nur im Büro sondern insbesondere mobil.
  • Die neuen intelligenten Frontends basieren auf Verknüpfung von Inhalten und benötigen Zugriff auf diese Inhalte um überhaupt funktionieren zu können. Einmal indizierte Inhalte in den Händen Dritter sind nicht wiederzugewinnen. Bedenken sind angebracht. Schauen Sie sich auch nach Alternativen um, mit denen Sie die Kontrolle über ihre Daten behalten.
     

Autor: Siegfried Lautenbacher

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